Amsterdam: Wohnturm in Holz-Hybridbauweise
Hoch hinaus mit Holz
Neue Maßstäbe beim Bauen mit Holz setzt der Wohnturm HAUT in Amsterdam. Denn das Tragwerk des 73 Meter hohen Gebäudes besteht neben Beton zu einem großen Anteil aus Holz – und zählt mit seinen 21 Stockwerken zu den höchsten seiner Art. Die Holz-Hybridbauweise kombiniert in diesem Kontext sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile. Zum Einsatz kamen unter anderem Holzelemente, HBV-Decken sowie Stahl- und Betonelemente. Mit der Fertigung und Montage verschiedenster Fertigteile für das Bauprojekt beauftragte der Generalunternehmer J.P. van Eesteren B.V. den Hybridbauspezialisten Brüninghoff aus dem münsterländischen Heiden. Im Rahmen der Planung stellten Form, Bauweise und Höhe des Gebäudes das Planungsteam vor besondere Herausforderungen – zum Beispiel im Hinblick auf die vorherrschenden Windlasten sowie das Setzungsverhalten der Baustoffe. Zu einer verbesserten Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten und einer transparenten Zusammenarbeit trug der Einsatz von Building Information Modeling (BIM) bei.
Foto: Jannes Linders
In Amsterdam, in direkter Lage zur Amstel, ist mit dem HAUT eines der höchsten Hochhäuser aus Holz weltweit entstanden. Der Wohnturm verfügt über 21 Stockwerke und ist 73 Meter hoch. Im Inneren des Gebäudes befinden sich – auf einer Bruttogeschossfläche von rund 9.000 Quadratmetern – 50 moderne Wohneinheiten mit großzügigen Terrassen und Balkonen sowie einer einzigartigen Aussicht auf die Umgebung. Bei der Realisierung des Hochhauses setzten die Verantwortlichen auf eine hybride Bauweise, die Beton mit viel Holz kombiniert. Als Kohlenstoffdioxidspeicher erweist sich das Material als ideal, um den hohen ökologischen Ansprüchen und dem Nachhaltigkeitsgedanken des Projekts gerecht zu werden. In diesem Kontext wurde das Gebäude mit dem BREEAM Outstanding-Label zertifiziert.
Expertise im hybriden Bauen
Der Wohnturm wurde bereits 2016 durch Lingotto initiiert – das Unternehmen ist Bauherr und Projektentwickler zugleich. Realisiert wurde das Objekt nach Plänen des niederländischen Architekturbüros Team V Architectuur in Kooperation mit Arup Niederlande. Generalunternehmer ist J.P. van Eesteren B.V. aus Gouda. Als Teil des Planungs- und Beratungsteams war auch Brüninghoff in das Leuchtturmprojekt an der Amstel involviert. Der Projektbauspezialist aus dem Münsterland brachte insbesondere seine Expertise im Bereich des hybriden Bauens ein. Für das Bauprojekt übernahm das Unternehmen zudem den Holzabbund sowie die Fertigung und Montage der Holzelemente, der Stahl- und Betonfertigteile und der Holzbetonverbunddecken – und war so insgesamt elf Monate auf der Baustelle in Amsterdam. Die gesamte Bauzeit des Projekts betrug drei Jahre. In der Planungsphase waren in beratender Funktion die Woschitz Group aus Wien, Assmann Beraten + Planen aus Hamburg, Prof. Dipl.-Ing. Rainer Pohlenz aus Aachen, Ekoflin aus Bavel sowie Brüninghoff beteiligt. In der Construction-Phase bestand das Planerteam Holzbauengineering neben Brüninghoff aus Assmann Beraten + Planen aus Hamburg sowie RWT plus aus Wien.
Holz und Beton für Tragstruktur
Die Gebäudeform des HAUT basiert auf einer trapezförmigen Grundfläche. Die Konstruktion bildet im Wesentlichen ein Treppenhauskern aus Ortbeton, Geschossdecken aus einem Holz-Beton-Verbund sowie eine Fassade aus nicht tragenden Holzrahmenbauwänden. Für die tragenden Wände und Stützen im Gebäude kam ebenfalls zu einem großen Teil Holz zum Einsatz. Im Bereich der Auskragungen an der spitz zulaufenden Gebäudeecke wurden Stahl- und Betonunterzüge eingesetzt. Auskragende Stahlträger mit einem darauf aufliegenden Leichtbetonfertigteil bilden die Balkonkonstruktionen an den Seiten. Die Fassade wurde mit nicht tragenden Holzrahmenbauwänden aus Fichten- und Tannenholz ausgeführt. Die einzelnen Elemente sind innen mit einer Gipsfaserplatte und außen mit einer Faserzementtafel beplankt. Das Innere der Elemente ist mit Dämmung ausgefüllt. Insgesamt ermöglicht die Gebäudekonstruktion ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich der Raumaufteilung und der Nutzungsmöglichkeiten im Gebäude.
Decken aus hybriden Elementen
Für den Deckenbereich wurde mit der Verwendung von Holz-Beton-Verbundsystemen eine ökologische und zugleich wirtschaftliche Lösung gefunden. Diese hybriden Bauteile kombinieren die Vorteile und Eigenschaften beider Baustoffe in einem System. Mit ihren schallschutz-, brandschutz-, und statischen Eigenschaften können sie – als Alternative zu reinen Betondecken – auch im mehrgeschossigen Bauen problemlos zum Einsatz kommen. Beim HAUT besteht das Standard-Deckenelement aus einer 160 Millimeter starken Brettsperrholzplatte (BSP) und 80 Millimeter starkem Beton der Güte C55/67. Die größten Elemente weisen hier Abmessungen von bis zu 5,90 mal 3,05 Metern auf. Das kleinste Element ist dreieckig und verfügt über die Maße 1,50 mal 1,50 Meter. Für den Aufbau der Decken kam Fichten-Brettsperrholz zum Einsatz, das von Mayr-Melnhof aus dem österreichischen Gaishorn am See geliefert wurde. Die Unterseite der HBV-Decken bleibt sichtbar, sodass in den Wohnungen eine natürliche Holz-Optik vorherrscht. Auch beeinflusst der natürliche Baustoff das Raumklima in den Wohnungen positiv.
Letzte Schritte auf der Baustelle
Die Herstellung der HBV-Deckenelemente erfolgte werkseitig. Auf der Baustelle wurden die einzelnen Elemente gefügt. Dazu zählt unter anderem die Ausführung der Fugenverschraubung, -bewehrung, -verguss und -abdichtung. Die Verbindung der einzelnen HBV-Deckenelemente erfolgte über eingelegte Bewehrungseisen in den Fugen. Die Fugen der Elemente wurden anschließend mit Ortbeton vergossen. Ferner wurde die Verbindung zu angrenzenden Bauteilen wie Wänden, Stützen und Unterzügen realisiert. „Der Anschluss der Deckenelemente an das hochbewehrte Treppenhaus erfolgte mittels Stahlwinkeln, die an die Konstruktion gedübelt wurde. Die HBV-Decke wurde entsprechend an diese Winkel gehangen“, erklärt Thomas Kötte, Bauleiter bei Brüninghoff. „Die sehr hohen horizontalen Kräfte wurden hierbei über eine Verzahnung und Einschraubbewehrungen übertragen.“ Ein direkter Anschluss der Decken an den Aufzugsschacht war – mit Ausnahme eines Sonderfalls im 21. Stockwerk – nicht notwendig, da der Aufzugsschacht im Treppenhaus verortet ist.
Etagen ohne Wiederholungseffekte
„Hoch, komplex, hybrid“ – so beschreibt Kötte die Konstruktion des HAUT. „Auf den ersten Blick sehen die Etagen in der Konstruktion gleich aus. Beim genaueren Hinsehen erkennt man aber, dass jede Etage anders ist und somit trotz der Höhe keine Wiederholungseffekte mitgenommen werden konnten.“ So ergaben sich im Planungsprozess – vor allem im Hinblick auf die Gebäudegeometrie – vielfältige Herausforderungen. Aufgrund der Höhe entstehen hohe vertikale Lasten, die beim konventionellen Holzbau so nicht auftreten. Zugleich mussten auch die auftretenden großen Windlasten berücksichtigt werden. Ein weiterer Faktor war das unterschiedliche Setzungsverhalten der verschiedenen Baustoffe Holz, Ortbeton und der Betonfertigteile. Der schlanke Gebäudekörper hatte Auswirkungen auf die Gebäudesteifigkeit und -verdrehung. Auch die für den trapezförmigen Grundriss benötigten dreieckigen HBV-Fertigteile mussten passend geplant werden. Hier waren unter anderem der Verlauf der Bewehrung und der Lastabtrag entscheidend. Der Lastabtrag war auch ein Thema bei den Auskragungen. So musste für die Aufnahme der hohen Lasten der Balkone – die durch Stahlschwert, Leichtbetonbelag sowie Faserbeton-Fassadenelement auf der Außenkante entstehen – eine bauphysikalisch saubere Lösung entwickelt werden.
Zügiger Bauprozess dank hohem Vorfertigungsgrad
Der nachwachsende Rohstoff Holz spiegelt zum einen das ökologische Bewusstsein bei diesem Projekt wider – zum anderen ermöglichte er einen schnellen Baufortschritt. Die Produktion der Bauteile erfolgte in den eigenen Fertigungsstätten von Brüninghoff – unter optimalen Bedingungen vorgefertigt. Das Brettsperrholz (BSP) wurde dabei von Mayr-Melnhof geliefert. Durch den hohen Vorfertigungsgrad konnte die Montagezeit auf der Baustelle wesentlich reduziert werden. Der Umgang mit Holz brachte jedoch auch die ein oder andere Besonderheit mit sich. So musste der Baustoff zum Beispiel auf der Baustelle vor Witterungseinflüssen wie Regen gut geschützt werden.
Herausforderungen im Planungsprozess
Ferner musste eine effiziente Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten gewährleistet werden. Herausforderungen waren in diesem Kontext die Sprachbarriere, die unterschiedliche Normung sowie die etwas anderen Sichtweise auf den Bauprozess. Als anspruchsvolle Aufgabe erwies sich zudem die Abstimmung der beteiligten Unternehmen – unter anderem waren dies neben Brüninghoff auch Assmann Beraten + Planen sowie RWT plus, zwei niederländische Prüfbüros, die Behörden und nicht zuletzt der Generalunternehmer J.P. van Eesteren B.V. Zugleich galt es, die vielen Schnittstellen zu den Brüninghoff-Bauteilen mit anderen Gewerken wie Elektro, Sanitär, Lüftung, Heizung, Sprinkler, Ortbetontreppenhaus, Außenwände, Fassade, Balkone zu organisieren.
Transparente Kommunikation dank BIM
Insbesondere für den Austausch war Building Information Modeling (BIM) sehr hilfreich. Die digitale Planungsmethode hat beispielsweise die Arbeit zwischen den verschiedenen Gewerken wie der Haustechnik, der Außenwände und der Fassade wesentlich erleichtert. Ebenso brachte es Vorteile für die Kommunikation bei Brüninghoff intern mit sich. Der Austausch zwischen Planung, Produktion und Baustelle verlief so reibungslos. Anhand des digitalen Bauwerksmodells konnten die Projektverantwortlichen den aktuellen Produktions-, Planungs- und Baufortschritt auf einen Blick nachvollziehen und die weiteren Schritte und Abläufe planen. Nach Fertigstellung des Gebäudes wird das BIM-Modell als Bestandteil der Revisionsunterlagen übergeben.
Beim HAUT wurde der natürliche Baustoff Holz in der Höhe auch in tragender Funktion erfolgreich eingesetzt. Das übergreifende Know-how, die gute Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten sowie der hohe Vorfertigungsgrad haben dazu beigetragen, dass der Wohnturm im urbanen Umfeld mit einer eng getakteten Logistik fertiggestellt wird. Das Bauprojekt wird somit Vorbildfunktion für weitere ähnliche Wohnungsbauprojekte mit Holz haben.
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